Auf den Fußspuren der Zwangsarbeit
Ausstellung mit Kunstaktion ergänzt / Tochter einer Zwangsarbneiterin zu Gast
BAD EILSEN (wa). „Ich habe versucht mich in meine Mutter hineinzuversetzen“, sagt Joanna Szukala. Sie ist das erste Mal in Schaumburg. Das erste Mal in Bad Eilsen, ihrem Geburtsort. Joanna Szukala ist 1944 im ehemaligen „Haus Eden“ (heute Seniorenheim Residenz am Harrl), als Tochter der polnischen Zwangsarbeiterin Adela Czepiel geboren. Zwei Jahre später ging es für Mutter und Tochter zurück in die Heimat. Vergangenen Freitag war Szukala bei der Eröffnung der Ausstellung „Bückeburg unterm Hakenkreuz“ im Hubschraubermuseum zu Gast.
Die Projektgruppe „Zwangsarbeit“ aus Berlin hat über ein Jahr lang intensiv recherchiert und mit Zeitzeugen aus Bückeburg, Polen und Weißrussland gesprochen. Diese bewegende Zeitreise können Besucher ab sofort bis zum 22. Juni anhand von Informationstafeln, alten Fotos und den Berichten der Zeitzeugen erleben. Einen Tag später hockt Joanna Szukala am Marktbrunnen mit einem Bohrer in der Hand. Neben ihr der Künstler Franz Betz. Gemeinsam befestigen sie an einem Bruchstein symbolisch ein altes paar Schuhe und eine Erinnerungsschrift an die heute 96-Jährige Zwangsarbeiterin Alexandra Grinkewitsch. Die gebürtige Weißrussin ist eine der letzten Zeitzeuginnen, mit der die Projektgruppe „Zwangsarbeit“ sprechen konnte. In einem bewegenden Interview schildert Grinkewitsch, ihre Erlebnisse von der Deportation im November 1942 bis hin zur Zwangsarbeit in der Maschinenfabrik „Wubag“ in Bückeburg. Franz Betz hat mit seiner Kunstaktion „Schuhe, Schwarm, Schmutz! Erinnerung an Zwangsarbeiter“ mehrere Schuhpaare in Bückeburg und Bad Eilsen installiert. Ein weiterer Bestandteil dieser Aktion war ein sogenanntes „Reverse Graffiti“ (Graffiti andersrum). Anstatt Farben auf den Marktplatz zu bringen, wurden mittels Schablonen, Bürsten und einem Hochdruckreiniger Schuhabdrücke und ein „X“ quasi herausgewaschen. Das „X“ steht symbolisch für das Unbekannte und die gestohlene Bewegungsfreiheit, also als Fesseln der Zwangsarbeiter. „Indem die Spuren der Zwangsarbeiter freigelegt werden, möchte ich unsere Erinnerung an diese Menschen erneuern“, sagt Betz. Die Idee zur Kunstaktion entwickelte Betz nach einem Besuch im Dokumentationszentrum des Nationalsozialismus „Topographie des Terrors“ in der Nähe des Potsdamer Platzes in Berlin. Durch das „Reverse Graffiti“ können die Bürger aktiv und künstlerisch etwas zur Erinnerung beitragen. „Museum, Kultur und Stadt werden vernetzt“, sagt Betz. „Man muss sich vorstellen, was wäre, wenn heute an diesem Ort die gleiche Situation entsteht.“
Auch Johanna Szukala wird eine Erinnerung aus Schaumburg mitnehmen: „Es ist ein gutes Gefühl vor Ort gewesen zu sein. Ich werde wohl erst im Nachhinein alles verarbeiten können“, sagt sie. Neben Bückeburg hat Szukala die Kirche in der sie getauft wurde, die Sankt- Josef in Obernkirchen besucht. Fritz Winkelhake führte sie durch ihren Geburtsort Bad Eilsen. Mehr zur Eröffnung der Ausstellung „Bückeburg unterm Hakenkreuz“ lesen Sie in der nächsten Ausgabe des Schaumburger Wochenblattes am 31. Mai. Foto: wa